Was kann man aus Wikileaks für Krisen-PR lernen?
Ende November verbreitete Wikileaks mehr als 250'000 streng vertrauliche Dokumente, welche US-Diplomaten ans State Department gerichtet hatten. Die Aufregung war gross, weil die Dokumente z.T. peinliche Aussagen über fremde Staats-oberhäupter enthielten, strategische Pläne aufdeckten und Manöver der Verhandlungstaktik publik machten Die Dokumente waren über das Intranet der US-Administration mehreren Millionen Personen zugänglich. Alle Verrenkungen, Anschuldigungen und Rechtfertigungsversuche von US-Politikern wirkten im Vergleich mit dem Inhalt der publik gewordenen Dokumente unglaubwürdig.
Die Situation erinnert an den Konflikt um die nachrichtenlosen Vermögen, als die «SonntagsZeitung» im Januar 1997 ein Schreiben des Schweizer Botschafters in den USA, Carlo Jagmetti, veröffentlichte, in dem dieser den Senator Alfonse D'Amato und die jüdischen Organisationen als «Gegner» bezeichnete, von denen man «den meisten nicht vertrauen kann». Dieses durch ein Leck bekannt gewordene Schriftstück kostete ihn seinen Job.
Was sind die «lessons learned» aus dieser Panne?
1. Ob in öffentlichen Verwaltungen oder privaten Unternehmen: In grossen Organisa-tionen ist es zunehmend schwierig, Dokumente über lange Zeit geheim zu halten.
2. Darum sollten Dokumente immer so verfasst werden, dass bei einer möglichen Veröffentlichung keine umständlichen Recht-fertigungen nötig sind. Das hat mit Leistetreterei nichts zu tun. Mit Gradlinigkeit, Konsistenz und Integrität jedoch viel.
3. Für exponierte Personen gilt: Es gibt Dinge, die man denken darf, aber besser nicht reden sollte – allerdings ist es von Gutem, auch seine Gedanken hin und wieder in Frage zu stellen. Es gibt Dinge, über die man reden darf, aber nicht schreiben sollte. Und wenn darüber geredet wird, besser nur unter vier Augen. Es gibt Dinge, die man schreibt, um sie andern mitzuteilen oder für die Zukunft zu sichern. Schreiben sollte man aber nur nach Überlegung und am besten so, dass man jederzeit zum Inhalt stehen kann.
Wir staunen immer wieder in Krisenfällen, zu denen wir als Experten der Krisen-PR beigezogen werden, wie sorglos mit «heissen» Informationen umgegangen wird. Da sind Dokumente auf PCs offen zugänglich, liegen vertrauliche Papiere auf dem Fotokopierer, werden Unterlagen unverschlüsselt per E-Mail verschickt, in offenen Umschlägen durch ungeschulte Mitarbeitende herumgetragen, auf Laptops geladen, in Zügen bearbeitet oder diskutiert. Heikle Informationen müssen mit äusserster Sorgfalt gehandhabt werden.
» Lybien und BP:
   Lehrstück
für Krisen-PR |